Das Jugendwort des Jahres
Ein Spiegel der Jugendsprache und -kultur im deutschsprachigen Raum
Seit 2008 wird jedes Jahr ein Begriff aus der Jugendsprache zum „Jugendwort des Jahres“ gekürt. Dieser Titel wird vom Langenscheidt-Verlag vergeben und spiegelt wider, welche Wörter, Redewendungen oder Begriffe in der deutschen Jugendsprache jeweils besonders populär sind. Die Wahl des Jugendwortes bietet somit nicht nur einen interessanten Einblick in die Sprachentwicklung, sondern spiegelt zugleich aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Trends.
Entstehung und Ablauf der Wahl
Das Konzept der Wahl eines Jugendwortes wurde erstmals im Jahr 2008 ins Leben gerufen, nachdem die wachsende Bedeutung der Jugendsprache erkannt wurde. Jugendliche drücken sich oft in einer eigenen, kreativen Weise aus, die sich von der Alltagssprache Erwachsener unterscheidet. Um diese Art des Sprachwandels zu dokumentieren und um gleichzeitig das Interesse an der deutschen Sprache zu fördern, startete der Langenscheidt-Verlag eine Umfrage, in dessen Rahmen online Vorschläge für Jugendworte einreicht werden können. Ein Expertengremium wählt anschließend drei Wörter, aus denen letztlich in einer öffentlichen Abstimmung das „Jugendwort des Jahres" ermittelt wird.
Einflussfaktoren auf die Wahl
Jugendworte entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern sind Produkte gesellschaftlicher, kultureller und medialer Einflüsse. Häufig sind es Phänomene aus der Popkultur, aus Social-Media-Posts oder auch aus dem politischen und sozialen Leben, welche die Wortwahl junger Menschen prägen. Besonders häufig finden Begriffe aus dem digitalen Raum – etwa von TikTok, Instagram oder YouTube – den Weg in den Sprachgebrauch. Aber auch gesellschaftliche Bewegungen und Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität oder Identität spielen oftmals eine Rolle.
Jene Begriffe, die bei Jugendlichen sprichwörtlich „in Mode” kommen, sind zumeist kreativ und humorvoll, können zugleich aber auch eine tiefere Bedeutung ausdrücken. So widerspiegeln Jugendworte oftmals eine Haltung, ein Lebensgefühl oder eine Einstellung, welche die jüngere Generation aktuell beschäftigt.
Beispiele für die gewählten Jugendwörter vergangener Jahre
Seit 2008 ist bis heute eine ganze Liste mit Jugendworten des Jahres zusammengekommen. Einige davon sind inzwischen zu weit verbreiteten Begriffen geworden, die auch außerhalb der Jugendkultur zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören.
Beispiele hierfür sind:
• Cringe (2021) - Ein Begriff, der beschreibt, dass etwas unangenehm oder peinlich ist. Er wurde durch soziale Medien besonders populär.
• Ehrenmann/Ehrenfrau (2019) - Ein Begriff, der jemanden beschreibt, der besonders loyal, respektvoll oder fair ist – im positiven Sinne.
• Yolo (2012) - Abkürzung für „You only live once” – ein Ausdruck, der den Gedanken vermittelt, dass man das Leben in vollen Zügen genießen soll.
• Babo (2013) - Ein Begriff aus dem türkischen Slang, der „Chef” oder „Anführer” bedeutet und durch einen bekannten Rapper populär wurde.
• Läuft bei dir (2014) - Ein Ausdruck, der verwendet wird, um zu sagen, dass jemand gerade etwas richtig gut macht oder Erfolg hat.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie sehr sich Sprache laufend wandelt und sich an aktuelle Trends und neue Medien anpasst.
Translingualer Einfluss
Der Einfluss von Englisch auf die Jugendkultur und insbesondere auf Jugendworte lässt sich durch mehrere gesellschaftliche, kulturelle und technologische Faktoren erklären. Hier sind einige zentrale Gründe, warum so viele Jugendworte Englisch oder translingual sind:
Englisch wird oft als cool, modern und international wahrgenommen. Es entstand eine Art Trend, bestimmte englische Ausdrücke zu verwenden, weil sie „in“ oder „stylisch“ wirken. Jugendliche wollen sich von älteren Generationen abgrenzen und setzen auf sprachliche Markenzeichen, die mit Globalität und Jugendkultur assoziiert werden.
Besonders durch das Internet, soziale Medien und Streaming-Plattformen sind englische Begriffe und Ausdrücke in den Alltag von Jugendlichen eingedrungen. Viele englische Begriffe sind einfach prägnant und decken bestimmte Konzepte ab, die sich in anderen Sprachen schwerer fassen lassen. Außerdem hat die Entwicklung von digitalen Plattformen und Kommunikationskanälen die Sprache revolutioniert. Begriffe wie „like“, „share“, „streamen“ oder „uploaden“ sind nicht nur Englisch, sondern auch tief in den digitalen Alltag integriert.
Jugendliche orientieren sich stark an Influencern, Musik, Filmen, Serien und Videospielen – viele dieser kulturellen Phänomene kommen aus englischsprachigen Ländern, insbesondere aus den USA. Begriffe wie „chill“, „vibe“ oder „savage“ sind aus diesem Kontext entstanden und wurden entsprechend übernommen.
Insgesamt ist der starke translinguale Einfluss der englischen Sprache auf die Jugendkultur eine Mischung aus praktischen, kulturellen und sozialen Aspekten. Sie spiegelt sowohl die internationale Vernetzung als auch den Wunsch nach Identität und Ausdruck in einer globalisierten Welt wider.
Kritik
Die Wahl des Jugendwortes des Jahres stößt jedoch nicht nur auf Zustimmung. So wird u. a. bemängelt, dass durch das Auswahlverfahren nicht die gesamte Vielfalt der Jugendsprache abgebildet wird oder dass die gewählten Begriffe oft nur eine kleine Gruppe von Jugendlichen betreffen und nicht die gesamte Jugendkultur widerspiegeln.
Zudem gibt es Stimmen, die kritisieren, dass bestimmte relevante Begriffe aus der Jugendsprache nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Nicht zuletzt wandelt sich Sprache schnell, wodurch der Hype um ein bestimmtes Wort bei Ernennung zum Jugendwort oftmals bereits wieder abgeebbt ist.
Fazit
Trotz aller berechtigter Kritik bleibt das Jugendwort des Jahres ein interessantes und oft auch amüsantes Phänomen, das die Dynamik der Jugendsprache und -kultur illustriert. In diesem Sinne handelt es sich beim Jugendwort um eine Art von Zeitdokument, das nicht nur die Kreativität der Jugendsprache, sondern auch den Einfluss von Medien und sozialen Netzwerken auf die Sprache junger Generationen widerspiegelt. Auch wenn nicht jeder Begriff von allen verstanden oder geschätzt wird, so bleibt eines sicher: Die Jugendsprache ist lebendig und ständig im Wandel. Und wer weiß – vielleicht ist das als Nächstes gewählte Jugendwort des Jahres ja ein Ausdruck, der einen wichtigen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft hat.
Welche Worte haben sich bei der Wahl der vergangenen Jahre durchgesetzt?
Liste der Jugendwörter seit 2008
2008
Gammelfleischparty
Ü-30-Party.
2009
Hartzen
(Sinnlos) herumhängen.
2010
Niveaulimbo
Sinnlose Gespräche, bei denen das Niveau stetig sinkt.
2011
Swag
Coolheit, Lässigkeit.
2012
YOLO
You only live once.
2013
Babo
Boss, Chef:in.
2014
Läuft bei dir
Gut gemacht! Du hast es drauf! Cool!
2015
Smombie
Zusammensetzung aus Smartphone und Zombie: Personen, die beim Gehen immer auf das Handy schauen und dadurch nichts mehr mitbekommen.
2016
Fly sein
Besonders abgehen.
2017
I bims
Ich bin's.
2018
Ehrenmann/Ehrenfrau
Guter Mensch.
2019
Kein Jugendwort
2020
Lost
Ahnungslos, verwirrt.
2021
Cringe
Peinlich, zum Fremdschämen.
2022
Smash
Etwas mit jemandem anfangen.
2023
Goofy
Tollpatschige, alberne Person oder Verhaltensweise; tollpatschig.
2024
Aura
Bezieht sich auf die persönliche Ausstrahlung oder den Status, wird oft scherzhaft verwendet.
Was unterscheidet das Jugendwort des Jahres vom Wort des Jahres?
Das Jugendwort des Jahres spiegelt speziell die Sprache der Jugend wider, während das Wort des Jahres ein breiteres gesellschaftliches Phänomen darstellt. Das Wort des Jahres wird von einer Expertenjury bestehend aus Linguistinnen, Journalisten und Sprachwissenschaftlerinnen bestimmt. Wie das Jugendwort des Jahres spiegelt auch das Wort des Jahres sprachliche Entwicklungen und/oder gesellschaftliche Trends wider.
Traditionell wird das Wort des Jahres in Deutschland von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gewählt, und die Bekanntgabe erfolgt meist am Ende des Jahres, in der Regel im Dezember.
Hierbei wird ein Wort ausgewählt, das im jeweiligen Jahr entweder durch hohe Medienpräsenz, gesellschaftliche Bedeutung oder besonders prägenden Einfluss herausgestochen ist.
2024 hat die Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „Ampel-Aus” zum „Wort des Jahres” gekürt. Auf Platz 2 landete „Klimaschönfärberei”.
Wörter des Jahres seit der Einführung der Auszeichnung
1971
Notstandsgesetze
1972
Umweltschutz
1973
Diktatur
1974
Rechtsextremismus
1975
Folter
1976
Multikulti
1977
Terrorismus
1978
Verfassungsschutz
1979
DDR-Flüchtlinge
1980
Ölkrise
1981
Grüne
1982
Wende
1983
Nachrüstung
1984
Friedensbewegung
1985
Sozialhilfe
1986
Tschernobyl
1987
Montagsdemonstrationen
1988
Flüchtlingswelle
1989
Wende
Erneut, im Kontext der Maueröffnung.
1990
Wiedervereinigung
1991
Forderung nach einer neuen sozialen Marktwirtschaft
1992
Kriegsflüchtlinge
1993
Asylanten
1994
Globalisierung
1995
Euro
1996
Menschlichkeit
1997
Arbeitslosigkeit
1998
Koalition
1999
Balkankrieg
2000
Internetsucht
2001
Terrorismus
2002
Krieg gegen den Terror
2003
Globalisierung
2004
Abwrackprämie
2005
Hartz IV
2006
Umweltschutz
2007
Finanzkrise
2008
Krise
2009
Wende
2010
Stuttgart 21
2011
Atomkraft
2012
Eurokrise
2013
Gleichstellung
2014
Flüchtlingskrise
2015
Flüchtlingskrise (nochmals)
2016
Postfaktisch
2017
Jamaika
2018
Heimat
2019
Klimawandel
2020
Corona-Pandemie
2021
Impfung
2022
Zeitenwende
2023
Klimaschutz
2024
Ampel-Aus
Das Wort des Jahres kann in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterschiedlich sein, da jedes dieser Länder seine eigenen kulturellen und sprachlichen Eigenheiten hat.
In Österreich wird das Wort des Jahres durch das Österreichische Wörterbuch (ÖWB) und oft auch durch eine Umfrage unter der Bevölkerung gewählt.
In der Schweiz wird das Wort des Jahres ebenfalls durch eine Jury aus Sprachwissenschaftlern und Journalisten bestimmt, und auch hier fließen regionale und kulturelle Unterschiede in die Wahl mit ein.
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